Dieser Blogbeitrag ist der zweite Teil einer Trilogie über meinen ersten Bespoke-Anzug. Im ersten Teil habe ich bereits Stoff und Schnitt ausgewählt. Außerdem hat Sebastian Maß genommen. Im dritten Teil geht es um das Endergebnis. In diesem Beitrag geht es um die Anproben, die sog. Fittings.
Die Nesselprobe
Die Wahl fiel auf einen Dreiteiler in einem Schnitt von 1920. Um sicherzugehen, dass ich diese Optik mit hohen Schließknöpfen, Hochbundhose und kurzer Weste an mir mag, haben wir mit einer Nesselprobe begonnen. Diese traditionelle Passform an sich zu sehen ist gewöhnungsbedürftig, aber sie hat mich auch begeistert. Wir blieben also bei unserem Vorhaben.
Jackett-Nesselprobe ohne Ärmel
Als Probestoff diente ein einfacher Wollstoff, und kein Baumwollnessel, um die Eigenschaften des ausgewählten Tuchs für das Endprodukt besser nachzuahmen.
Die erste Anprobe
Bei der ersten Anprobe hatte Sebastian dann mit dem richtigen Stoff von Dormeuil bereits Hose und Jackett zusammengeheftet. Die Brust- und Seitentaschen waren aufgezeichnet.
An dieser Stelle fallen einige Gestaltungsentscheidungen besonders auf: Die hohen Knöpfe und das dadurch kurze, aber breite Revers, sowie der geschwungene Abstich. Am Rücken fallen der eingenähte Gürtel und die daraus resultierende Taillierung auf.
Der Linienverlauf ist trotz meiner leicht asymmetrischen Haltung kerzengerade. Außerdem sind die Armlöcher des Jacketts sehr klein, was sich später positiv auf die Beweglichkeit im Anzug auswirken wird. Solche Dinge sind ausschließlich mit echter Maßschneiderei (Bespoke) umsetzbar.
Schulterdressur
Den Arbeitsschritt des Formbügelns nennt man in der Schneiderei Dressur. Das klingt irgendwie lustig, ermöglicht aber auch die plastische Modellierung des Stoffs. Sebastian hat in meinem Fall die Partie am Schlüsselbein so dressiert, dass das Jackett die Kurve unter meinem Schlüsselbein mitmacht und dort aufliegt. Das ist nicht nur bequem, sondern sieht auch grandios aus.
Die zweite Anprobe
Bei der zweiten Anprobe waren Hose und Weste schon fast fertig. Sie diente Sebastian vor allem dazu, die Ärmel in die Anzugjacke einzupassen. Außerdem konnten wir die korrekte Länge der Jackenärmel bestimmen.
Zur zweiten Anprobe trug ich dann auch ein Hemd, welches Sebastian mir zuvor angefertigt hatte. Es ist eins für abnehmbare Krägen, also historisch gesehen die korrekte Wahl zu diesem Anzug. Es war also eine erste Kostprobe der angestrebten Gesamtoptik. Auch bei der zweiten Anprobe sind uns die kleinen Armlöcher und dadurch schlanken Ärmel positiv aufgefallen.
Im ersten Teil der Reihe geht es um Auswahlprozess und Maßnahme.